Auf den Spuren der Hugenotten in Bern
Der Schweizer Wegabschnitt durchquert das Mittelland von Genf nach Schaffhausen und folgt dabei den Spuren der rund 60’000 hugenottischen und waldensischen Glaubensflüchtlinge, die nach 1685 in die Schweiz flohen. Von diesen liessen sich rund 20’000 dauerhaft nieder und prägten Wirtschaft und Gesellschaft.
Viele dieser Flüchtlinge erreichten die Stadt Bern in der Hoffnung auf Unterstützung, einen längeren Aufenthalt und vielleicht sogar den Aufbau einer neuen Existenz. Bern steuerte die Migration und organisierte die Versorgung und Unterbringung der Flüchtlinge sowohl in der Stadt als auch in seinem ganzen Herrschaftsgebiet vom Genfersee bis nach Brugg. Obwohl Bern eine vergleichsweise liberale Politik verfolgte, liessen sich nur wenige Hugenotten dauerhaft in der Stadt Bern nieder.
Folgen Sie den Spuren, welche die Hugenotten in Bern hinterlassen haben oder an sie erinnern!
1 Grosse Schanze / Parkterrasse
Die Terrasse vor der Universität ist ein Rest der Grossen Schanze, d. h. der westlichen Stadtbefestigung. Erbaut wurde diese 1622–1642 nach Plänen des aus Frankreich verbannten und in Jussy bei Genf lebenden hugenottischen Militärs und Autors Théodore Agrippa d'Aubigné. Bis 1624 hatte Louis de Champagne, Comte de la Suze (†1636), ebenfalls ein hugenottischer Militär, die Bauleitung inne. Er gilt als Begründer der französischen Kirchgemeinde von Bern (7). Im 19. Jahrhundert wurde die Wehranlage eingeebnet und, nach dem Bau des Bahnhofs, eine Promenade mit Blick auf die Alpenkette angelegt.
2 Maulbeerstrasse
Gédéon Brutel de la Rivière, ein Hugenotte aus Montpellier, erhielt 1686 vom Berner Rat die Erlaubnis, westlich der Stadt Maulbeerbäume für die Seidenraupenzucht anzupflanzen. Das Unternehmen scheiterte wie auch alle anderen Versuche in Bern und überall nördlich der Alpen. Um 1730 errichtete hier jedoch ein Berner eine Seidenmanufaktur; 1792 wurde sie in eine Brauerei mit einer Bierwirtschaft namens «Maulbeerbaum» umgestaltet. So hiess auch noch das Restaurant im späteren Hotel National.
3 Obertor / Bubenbergplatz / Bahnhofplatz
Die meisten Glaubensflüchtlinge erreichten die Stadt Bern von Westen her. Durch das äussere Obertor passierten sie die Stadtbefestigung (1). Hier hatten sie sich ein erstes Mal auszuweisen und sie erhielten die nötigen Auskünfte über die Hilfsangebote. Über den breiten Platz «zwischen den Toren» mit einer Pferdeschwemme gelangten sie zum alten Obertor mit dem Christoffelturm, so benannt nach der fast 10 Meter hohen Christophorus-Figur auf der Stadtseite. In Bern, so hofften viele, würden sie eine Bleibe finden oder bald wieder in die Heimat zurückkehren. Doch nur wenige fanden hier ein neues Zuhause.
4 Jonquière-Haus / Bubenbergplatz 5
Der hugenottische Flüchtling und Seidenfabrikant Jacques Jonquière (1664–1733) aus Saint-Chaptes wurde 1725 eingebürgert. Seine Weberei befand sich im Kommerzienhaus (8). Im Marzili besass er eine Färberei (6). Sein Sohn Jean Georges (1708–1766) führte das väterliche Geschäft weiter und erwarb um 1751 drei Häuser der Gebäudezeile «zwischen den Toren». Das östlichste (Bubenbergplatz 5) liess er grosszügig ausbauen. Das Haus blieb bis 1844 im Familienbesitz. Später wurde es zum Hotel Jura ausgebaut, 1951 abgebrochen und durch den heutigen Bau ersetzt.
Die angesehene Familie Jonquière starb 1926 aus.
5 Heiliggeistkirche / Spitalgasse 44
Die 1726–1729 erbaute Kirche gilt als Hauptwerk des protestantischen Kirchenbaus in der Schweiz. Sowohl das Äussere wie der mächtige, hallenartige Innenraum sind inspiriert von der calvinistisch-hugenottischen Tradition. Besonders bemerkenswert sind die freistehende, hohe Kanzel und darunter der Abendmahl- und Tauftisch. Eine Orgel war ursprünglich nicht vorhanden. Die Kirche steht an der Stelle des einstigen Heiliggeistspitals und seiner Kirche, die auf ein kurz vor 1228 gegründetes Kloster der Hospitaliter vom Heiligen Geist zurückgingen.
6 Maison Glur / Weihergasse 17
En 1686, Jean Farenge, réfugié venu de Marsillargues, près de Montpellier, trouva un emploi dans la teinturerie de Hans Rudolf Steck, établie au domaine de Marzili, dont la première mention remonte à 1596. La maison, avec la teinturerie, fut rachetée vers 1728 par Jacques Jonquière. En 1743-1744, son fils Jean Georges la transforma complètement et lui donna l’aspect qui est encore le sien. Jonquière vendit le domaine en 1751 pour s’établir dans une nouvelle maison (4). Le nom actuel renvoie à une famille qui en fut plus récemment propriétaire.
7 Französische Kirche / Zeughausgasse 8
Die zwischen 1269 und 1314 erbaute gotische Kirche des Dominikaner- oder Predigerklosters ist der älteste noch bestehende Sakralbau Berns. Seit 1623 dient sie dem französischsprachigen Gottesdienst (1), was besonders den hugenottischen Flüchtlingen zugutekam. Die Kirche erfuhr zahlreiche Umbauten. 1534–1912 diente der vom Langhaus abgetrennte Chor profanen Zwecken. 1804–1864 und 1875–1899 stand die Kirche auch der römischkatholischen Gemeinde zur Verfügung. Wegen der guten Akustik ist die Kirche ein beliebter Konzertraum.
Neben dem Eingang erinnert eine Gedenktafel an den Aufenthalt der Hugenotten in Bern.
8 Ehemaliges Predigerkloster / Predigergasse 3 / Nägeligasse 1a
Die Klostergebäude der Dominikaner dienten nach der Reformation unterschiedlichen Zwecken. Das im Westflügel untergebrachte Waisenhaus wurde den Hugenotten als Unterkunft und Produktionsstätte (Kommerzienhaus) zugewiesen. Sie betrieben dort ihre meist textilen Gewerbe. Die Seidenbandweberei von Jacques Jonquière umfasste mehr als dreissig Webstühle (4 und 6).
1899 wurden die Klostergebäude zugunsten des Stadttheaters und eines Amtshauses abgebrochen. Das nördlich an die Kirche anstossende Gebäude von 1905 beherbergt das Gemeindezentrum der französischen Kirche, Centre d’accueil paroissial CAP.
9 Rathaus / Rathausplatz 2
Das Rathaus war das Machtzentrum Berns, dessen Territorium vom Genfersee bis fast zum Rhein reichte. Hier wurde über das Schicksal der Flüchtlinge entschieden. Einst waren die Ratsstuben mit Werken hugenottischer Künstler ausgestattet. Ein grosser Bilderzyklus zur Geschichte der Stadt und der Eidgenossenschaft des aus Aix-en-Provence stammenden Humbert Mareschet (†1593) zierte die Burgerstube und eine 1685–1688 von vier hugenottischen Flüchtlingen aus der Auvergne und von Aubusson prunkvoll gewirkte fünfteilige Tischdecke (sogenannter Hugenottenteppich) die Stube des Kleinen Rats (12).
10 Münsterplattform
Am Fusse der Münsterplattform liegt die Matte, ein Gewerbequartier direkt an der Aare. Hier befanden sich die Anlegestellen für Schiffe und Flösse. Und hier bestiegen die Flüchtlinge die Weidlinge, mit denen sie auf der Aare nach Brugg und allenfalls weiter auf dem Rhein nach Basel gelangten. Die Reise mit dem Boot auf dem Wasserweg war weniger anstrengend und rascher als zu Fuss auf dem Land, aber nicht ganz ungefährlich. 1687 ertranken bei einem Schiffsunglück nahe Lyss 111 Hugenotten in der Aare.
11 Untertorbrücke / am Fusse des Nydeggstaldens
Die Untertorbrücke (alte Nydeggbrücke) war bis ins 19. Jahrhundert Berns einzige Brücke über die Aare. Mit den Brückentoren und Brückenköpfen bildete sie einen Teil der Stadtbefestigung. Durch dieses Tor verliessen die Glaubensflüchtlinge die Stadt auf dem Landweg Richtung Norden. Auch wenn viele Flüchtlinge auf Schiffen transportiert wurden, so war zweifellos die Mehrheit zu Fuss, mit Karren oder bestenfalls mit Reisewagen unterwegs.
12 Bernisches Historisches Museum / Helvetiaplatz 5
Das Museum beherbergt den Bilderzyklus von Humbert Mareschet und weitere hugenottische Zeugnisse (9). Zwei vergoldete Silberpokale waren die Geschenke von Jacques Jonquière (4 und 6) und des aus Montpellier stammenden Wollwirkers Jean Roux (1663–1739) an die Gesellschaft zu Pfistern anlässlich ihrer Einbürgerung.
Die Objektbeschriftungen sind durch ein Logo gekennzeichnet und mit einem QR-Code versehen.
Mit diesem Link gelangen Sie direkt auf die Themenseite des Museums zu den Hugenotten.
Texte auf dieser Seite: Margrit Wick-Werder